Hans Joachim Mathias - Westdeutsche Zeitung - 30.01.2009

Der Soziologe Rainer Paris sprach beim Moltke-Forum über „Sachführerschaft“ der Lehrer und „Entflammbarkeit“ bei Schülern.

Das trockene Thema entwickelte zusehends Spannung: Einen machtsoziologischen Zugang zum Lehren und Lernen im Herrschaftsraum Schule entwickelte Rainer Paris (60), Professor für Soziologie an der Hochschule Magdeburg-Stendal, beim 53. Moltke-Forum im Gymnasium am gleichnamigen Platz.

Aus dem Dreiklang „Herrschen, Führen, Lehren“ entwickelte er das Unterrichtsideal: Funke und Entflammbarkeit. Der gebürtige Oldenburger, der an der Freien Universität Berlin Soziologie, Psychologie und Germanistik studierte und dann Assistent zunächst in der Germanistik und dann in der Soziologie war, beschäftigt sich seit seiner Promotion mit den verschiedensten Machtstrukturen:

In Betrieben, Organisationen und Familien. Eines seiner bekanntesten Bücher trägt den Titel „Stachel und Speer“. Vor drei Jahren veröffentlichte Paris „Normale Macht“, zuletzt „Liebe und Macht“.

 

Führung ist Leistung für andere und auch mir Risiko verbunden.

Lehrer, Eltern und Schüler hörten mit Spannung, wie Rainer Paris die Begriffe Macht, Herrschaft und Führung interpretierte: Durchsetzung des Willens gegen widerstrebende Haltungen, Entscheidung als Befehl an Ausführende, aktives Beispiel mit vorangehender Initiative. Führung sei Leistung für andere und stets auch mit dem Risiko verbunden, in die Irre zu führen und schuldig zu werden. In der Schule sei neben der persönlichen Führung die Sachführerschaft gefragt: „Die Liebe des Lehrers zur Sache bedingt den Erfolg.“ Nach wenig schmeichelhaften Ausflügen in die antiautoritäre Pädagogik kam Paris zur bedingten Notwendigkeit von Herrschaft und Ordnung im Unterricht Allerdings: „Wenn der Lehrer gezwungen ist zu herrschen, mindert er seine Sachführerschaft.“

Die Entflammbarkeit der Schüler sieht Paris übrigens gemindert durch das selektive Lernen im heutigen Schulbetrieb: „Dass Jugendliche Fächer abwählen müssen, ist für die Altersklasse eigentlich unzumutbar.“ Noch schlimmer sei, dass Schüler als „berufliches Überlebenstraining“ häufig ungeliebte Fächer wählten.

In der anschließenden Diskussion bezweifelten Pädagogen, dass die Schüler leicht entflammbar seien. Dem hielt Paris eine seiner Thesen entgegen: „Menschen wollen folgen. Wenn sie keine Orientierung haben, suchen sie diese durch andere. Es entsteht Führungsbedarf, der nicht auf Dauer unabgedeckt bleiben kann.“