Christina Schulte - Rheinische Post - 29.11.2002

Ein ernstes und ernstzunehmendes Thema behandelte das 27. Moltke-Forum am Donnerstagabend in seinen Hallen:

Prof. Dr. Hans-Ludwig Zachert referierte über die "aktuelle Kriminalitätslage unter besonderer Berücksichtigung der terroristischen Gefahr".

Dieser Vortrag interessierte eine vorwiegend männliche Oberstufe, einige Lehrer und viele Eltern. Der Referent, früher Präsident des Bundeskriminalamtes und jetzt Honorarprofessor an der Universität Trier, gab zuerst einen Überblick über die Lage der Kriminalität in Deutschland. Dafür zitierte er aus 'der jährlichen Statistik und verwies vorher auf das Bonmot des Staatsmannes Churchill:

"Traue nur der Statistik, die Du selbst gefälscht hast."

So gab es in Deutschland im vergangenen Jahr 2650 Fälle von Mord und Totschlag; im Jahre 1993 hingegen über 4300. Bei den Gewaltdelikten hingegen sei die umgekehrte Entwicklung zu erkennen: 160 000 im Jahre 1993 stehen 190 000 im laufenden Jahr gegenüber. Diese Gewaltverbrechen schwächten das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. Besonders sei dies festzustellen bei Berichten über Sexualstraftaten. Hier sei zwar keine Veränderung der Zahlen feststellbar, doch die Ängste bei der Bevölkerung seien sehr groß. Zachert sieht den Grund dafür in der Berichterstattung der Medien. Den Ruf nach Verschärfung des Sexualstrafrechts schätzt er als populistisch ein. Denn derzeit schöpften die Richter den Strafrahmen überhaupt nicht aus. Das Klima der Verunsicherung beruhe auf einer Verzerrung der Wirklichkeit.

An die Analyse der nationalen Lage schloss Zachert einen kleinen Exkurs über die Osterweiterung Europas an: Jene Grenzen, die jetzt noch Ostgrenzen sind, werden, so die EU das beschließt, im Jahre 2004 Binnengrenzen. Darin sieht Zachert durchaus die Gefahr einer zunehmenden Kriminalität, die in die neuen Bundesländer hineinschwappen könne. Über diese Gefährdung werde zuwenig gesprochen; hier habe die Politik schon vorher zu handeln.

Der zweite Teil des Vortrags befasste sich mit der terroristischen Gefahr. Hier verwies Zachert darauf, dass die Informationen für den Bürger gefiltert seien: Nur Experten könnten die teilweise bruchstückhaften Fakten richtig zuordnen. In 70 Verfahren werden in 'Deutschland derzeit die Aktivitäten der Fundamentalisten untersucht; Zachert sprach nachdrücklich davon, dass eben drei der Piloten vom 11. September lange Zeit in Hamburg gelebt hätten. Und er ist der Meinung, dass sie ihre Taten keinesfalls isoliert voneinander geplant hätten. Nach Zacherts Einschätzung ist eine nachhaltige Schwächung des El-Kaida-Netzwerkes bisher nicht eingetreten, und es bestehe weiterhin eine "hohe abstrakte Gefährdung." Abschließend beantwortete Prof. Zachert Fragen, die einzelne Aspekte seines informativen Referats vertieften.