Rheinische Post - 08.05.1999

Er sei gerne gekommen, um vor einem schulischen Auditorium zu reden,meinte Ex-Innenminister (CDU) Dr.Manfred Kanther: ,,Politiker haben gegenüber jungen Leuten eine Bringschuld.“ Sein Thema im Moltke-Forum waren die ,,Probleme der inneren Sicherheit im europäischen Kontext“, das er weder wissenschaftlich noch wahlkämpferisch angehen wollte. Der organisierten Kriminalität galten seine hauptsächlichen Ausführungen.

 

Selbstheilungskräfte

Nicht die hier lebenden Ausländer wurden besonders kriminell auffallen: ,,Aber 60 Prozent aller Delikte werden von Ausländern aus 100 Ländern begangen.“ Der Ruf nach dem starken Staat sei zwar richtig, aber es bedürfe auch der Selbstheilungskräfte der Gesellschaft. ,,Die vietnamesischen Zigaretten-Schmuggler finden schließlich deutsche Käufer.“ Keine Patentlösungen gäbe es, aber Vorbeugen müsse wichtiger werden. ,,Die Tat, die nicht geschieht, das muß das Ziel sein.“ Die Wegfahrsperre für Autos, zu seiner Innenministerzeit von der Politik gefordert, habe dieKfz Diebstähle um ein Drittel verringert, ebenso seien durch elektronische Sicherungen die Wohnungseinbrüche um 25 Prozent zurückgegangen. ,,Es ist nicht wahr, daß wir in einem Jammertal der Kriminalität leben“, meinte Kanther. Die Zahl der Gewaltverbrechen an Frauen und Kinder sei rückläufig, aber die Medien vermittelten ein anderes Bild. Keinen Nachholbedarf an Gesetzen zur Inneren Sicherheit sieht Kanther, aber Nachholbedarf bei Anwendung geltender Gesetze. ,,Mit weniger Polizei mehr Sicherheit geht nicht.“ Noch gäbe es zu große Probleme, die Sicherheitspolitik im Rahmen der EU zu vereinheitlichen, beispielsweise bei der grenzüberschreitenden Täterverfolgung. Aber auch am Ort müßten alle Ämter mehr zusammenwirken, und: ,,Gefahrenabwehr ist Bürgermeister-Aufgabe.“ Bildungs- und Familienpolitik könnten Beiträge leisten, und Kanther erinnerte an den geistigen Hintergrund einer Gesellschaft: ,,Wir müssen das Wertebewußtsein erhalten, wecken und verteidigen.“ Gesellschaftlicher Konsens sei nötig, heute gäbe es ein deutliches Nord-Süd-Gefälle: ,,Die Sicherheitspolitik der CDU-Länder ist besser als der SPD-Länder.“ Den Überwachungsstaat, der ,,vorbeugend“ Plätze und Straßen per Video überwachen läßt, lehnte Kanther ab.

 

Problem Internet

In der Diskussion befragt, sah Kanther im Internet mehr Probleme als Lösungsansätze, und an die Adresse der Medien, besonders an die Privat-Sender gerichtet: ,,Man kann mit Gewalt und Brutalität immer noch Kasse machen.“ In einem reichen Land sei Kriminalität eine Bedrohung, der durch eine neue Solidarität in der Sicherheitspolitik zu begegnen sei. Und nicht zuletzt: ,,Wenn ein demokratischer Staat die Sicherheitsfragen lösen kann, ist das die beste Bekämpfung des Rechtsextremismus.“