Dirk Senger - Westdeutsche Zeitung - 12.12.2005

Krefeld. Eine vergleichbare Vortragsreihe, wie das Moltke-Forum, wird in keiner hiesigen Schule angeboten. Seit zehn Jahren hat der Initiator der Reihe, der Lehrer Wolfgang van Randenborgh, immer wieder hochkarätige Vertreter aus Politik, Kultur und Wissenschaft als Referenten gewinnen können, die im Gymnasium am Moltkeplatz sprachen.

Als erster Forums-Referent kam im Dezember 1995 Professor Bassam Tibi von der Universität Göttingen. Es folgten weitere renommierte Gastredner wie die Journalistin Franziska Augstein, Tochter des Spiegel-Herausgebers Rudolf Augstein, die Krefelder Schriftstellerin Elke Schmitter und Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker.

Dieser Besuch ist van Randenborgh besonders in Erinnerung geblieben. "Für mich war das schon einmalig. Der Mann verbreitet ein Charisma." In die Reihe der Referenten fügte sich am Freitagabend bei der 40. Auflage des Forums vor 220 Zuhörern Hans Ulrich Gumbrecht ein.

Der Würzburger ist seit 1989 Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft an der kalifornischen Universität Stanford. Zuletzt erschien sein Buch "Lob des Sports", in dem der begeisterte Sport-Zuschauer Gumbrecht über die Faszination und die Ästhetik des Sports schreibt. Und so war es kaum verwunderlich, dass der 57-Jährige in seinem Vortrag "Ästhetik des Alltags" auch auf den Sport zu sprechen ka

Es ist jeweils ein Objekt, das die ästhetische Erfahrung, das Gefühl in einem selbst, auslöse. Damit es zur Wirkung komme, müsse es isoliert von der Routine sein. "Was Praktisches haben Sie wohl nie davon", resümiert er zur Wirkung der ästhetischen Erfahrung. "Man fühlt aber, dass man eine Einheit zu den Dingen der Welt hat." Eine ästhetische Erfahrung sei im Alltag der Menschen eine exzentrische Erfahrung.

Gumbrecht unterscheidet drei Typen ästhetischer Erfahrungen. Eine Typ sei eine Situation oder ein Gegenstand, welcher als "eine auferlegte Erfahrung" den Alltagsfluss unterbricht, wie ein Blick, eine Perspektive, die die Wahrnehmung auf etwas Besonderes lenkt. "Irgendetwas geht vorbei, aber wir haben keinen Einfluss darauf."

Ferner der Typ der ästhetischen Erfahrung, der auf einer Vertrautheit beruht, unter anderem mit einem Gegenstand wie einem Lieblings-Sessel. "Je länger sie mit einem Gegenstand vertraut sind, desto lieber wird er ihnen." Und drittens den Typ, der eine zufällige Begebenheit beinhaltet, wie ein Spielzug beim Fußball. "Es beginnt zu vergehen, während es passiert."