Am Mittwoch, dem 6.3.2013, war Giovanni di Lorenzo, seines Zeichens Chefredakteur der Wochenzeitung DIE ZEIT, Gastredner beim 69. Moltke-Forum. Und welche Zugkraft er besitzt, bewies die restlos ausverkaufte Aula unseres Gymnasiums, trotz der für das Forum ungewohnten Zeit von 14.00 Uhr und des gleichzeitig ersten richtigen Frühlingstages in diesem Jahr. Volles Haus und strahlendes Wetter gaben denn auch den passenden Rahmen für einen äußerst unterhaltsamen und launigen Nachmittag, in dem di Lorenzo zunächst aus seinem Buch - gemeinsam mit Axel Hacke  - „Wofür stehst du ?“ mehrere Kapitel vorlas, die sich mit seiner Herkunft, seiner Sozialisation sowie seiner Integration befassten. Dabei machte er vor allem deutlich, dass, nach einer bewegten Jugend, er in Deutschland dann Fuß gefasst habe, als er eine Heimat glaubte, gefunden zu haben, und dies sei die Sprache gewesen. Sein redaktionelles Credo laute: DIE ZEIT möge eine Stimme der Vernunft sein, die der Konformität die Stirn zeige.

Di Lorenzo überzeugte die buntgemischte Zuhörerschaft mit seinen sehr ehrlichen, aber auch selbstkritischen Lebensberichten, mit seinem Hinweis auf die diesem Land und seinen Möglichkeiten geschuldete Dankbarkeit, mit seinem leidenschaftlichen Plädoyer für Sich-mehr-Zeit-Lassen bei der Entdeckung und Entwicklung seiner Fähigkeiten, aber auch mit seinem rigorosen Sich-Verweigern eines Tugendfurors, für welche er teilweise offenen Applaus erntete. Zu aller Überraschung gab er z. B. zu, dass er in seiner jungen Familie das Tischgebet wieder eingeführt habe, was (auch) in seinem Freundeskreis zu mehr als Irritationen geführt habe; es sei, so der Journalist, offensichtlich heute einfacher, über sexuelle Präferenzen zu schreiben als über die Wiedereinführung des/eines Tischgebetes. Di Lorenzo erwies sich als sehr offener, selbstkritischer und nachdenklicher Mann mit Sinn für Mutterwitz, der unprätentiös und – in nicht verwässertem Sinne – authentisch erschien. Für Letzteres war eindrucksvoller Beleg, dass er die Strapaze eines siebenstündigen Interims von Hamburg nach Krefeld und zurück zur Aufrechterhaltung seiner Zusage auf sich genommen hatte. Wenigstens dankte es ihm die Moltke-Gemeinschaft mit einem lang anhaltenden und warmherzigen Applaus.

Wolfgang van Randenborgh