von Christina Schulte
Das 33. Moltke-Forum war ein großer Erfolg: Für den Vortrag von Professor Manfred Fuhrmann waren schnell alle 200 Karten verkauft. Und so saßen dann die Schüler - eine ganze Reihe von ihnen mit Schlips und Kragen -, Lehrer, Eltern und andere Interessierte rund um das Stehpult und hörten fasziniert zu. "Kanon und Kontinuität trotz Krise" hatte der Philologe und Jurist seinen Vortrag benannt.
Im Untertitel: "Was kann uns die Geschichte für die Zukunft unserer Bildung lehren?"
Folgende These stellte der 79-Jährige an den Beginn: "Unsere Bildung und die Fundamente der europäischen Kultur scheinen sich in einer Krise zu befinden."
Um seine These zu erklären, ging er zurück zum Reich Karls des Großen. Unter dessen Herrschaft gründete sich das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Und dieses ruhte auf drei Säulen: gemeinsame Sprache für Rechtsprechung und Tradierung der Geschichte (Latein), Christliche Religion und schließlich das gemeinsame Wissen.
Erst die europäische Aufklärung verdrängte die beherrschende Rolle der Religion. Auch das Latein verlor einen Teil seiner Bedeutung, doch hatten die Nationalsprachen dessen Rolle übernommen. Bildung und Wissen wurden ab dem 18. Jahrhundert vom Bürgertum kontinuierlich weitergegeben.
Der Vergleich mit dem Heute zeigt, dass die drei Säulen so nicht mehr stehen: Das Bürgertum als große Gruppe ist dahin. In der heutigen Gesellschaft scheint für die bürgerliche Bildung kein Platz zu sein, so Fuhrmann. Die christliche Religion ist auf den privaten Bereich zurückgedrängt, und ebenso sei die europäische Identität ein private Angelegenheit. Daher müsse auch die Schule und das Bildungswesen ohne eine einheitstiftende Idee auskommen. Die Fächer der Schule stünden unverbunden nebeneinander, es gebe weder Bildung um ihrer selbst willen mehr, noch gebe es einen Wissenskanon.
In seinem Vortrag ging Fuhrmann dann zunächst auf die Gefahren ein, die er sieht: Im Innern entstehe eine Gesellschaft des individuellen Glücksstrebens, die keinen Gemeinsinn mehr habe. Für den äußeren Bereich sieht Fuhrmann die Gefahr der sozialen Isolation der Immigranten, weil die Menschen religiöse und sprachliche Inseln bildeten. Desweiteren ging Fuhrmann auf mögliche historische Analogien ein und riet schließlich: Jeder Mensch müsse die Landessprache beherrschen und eine gründliche Kenntnis des Deutschen haben. Und er setzte sich für umfangreiches historisches Wissen ein: Man müsse doch wissen, woher man komme.
Manfred Fuhrmann: Bildung. Europas kulturelle Identität Reclam Verlag, 2002. Demnächst soll im Insel-Verlag Fuhrmanns Werk "Der europäische Bildungskanon" erscheinen.
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