Historische Spurensuche unterhalb der Schule
Mai 2025: Die Geschichte des Gymnasiums am Moltkeplatz hat eine neue, historisch bedeutende Facette erhalten. Im Rahmen der Denkmal-AG wurden Überreste einer Luftschutzrettungsstelle aus dem Zweiten Weltkrieg wiederentdeckt. In Zusammenarbeit mit dem Verein Luftschutzanlagen Rhein Kreis Neuss, Wissenschaftlern des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland und dem Gebäudemanagement der Stadt Krefeld haben Schülerinnen und Schüler die Anlagen erforscht, dokumentiert und als historisch wertvoll eingestuft.
Den Anstoß für die Untersuchungen gaben die Schüler:innen der Denkmal -AG, die sich mit der Geschichte des Schulgebäudes befassten. Das bereits während des Kaiserreiches errichtete Gebäude ist nicht nur als solches ein imposanter Überrest der Stadtgeschichte, sondern zeigt bei näherem Hinschauen auch die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs auf Krefeld: bombensicher vermauerte Kellerfenster und Krater in den Außenwänden sind sichtbare Folgen von Bombardierungen und den Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung.
Besonderes Interesse bei den Schüler:innen riefen die Gasschutztüren im Keller der Schule und der zugemauerte Bunker auf dem Gelände hervor: wozu dienten die Anlagen? Was befindet sich im verschlossenen Bunker? Gibt es vielleicht eine unterirdische Verbindung zwischen den beiden Anlagen? Die Experten des Vereins Luftschutzanlagen Rhein Kreis Neuss konnten Licht ins Dunkle bringen und entdeckten: bei der ca. 700 Quadratmeter großen Anlage im Keller handelte es sich nicht nur im einen gewöhnlichen Bunker, sondern um eine, heute nur noch sehr seltene „Luftschutzrettungsstelle“ – einer speziellen Einrichtung des zivilen Luftschutzes, die während des Krieges zur Erstversorgung von Verletzten dienen sollte. Geplant waren diese Anlagen für den Fall eines Luftangriffes mit chemischen Waffen wie Gas. Die Gasangriffe im Ersten Weltkrieg hatten bei den Nationalsozialisten die Angst wachsen lassen, dass in einem erneuten Krieg Gas auch bei Bombardierungen von zivilen Städten eingesetzt werden könnte. Die als trümmer-, splitter- und gassicher geplanten Kellerräume zeigen daher Merkmale, die über einen gewöhnlichen Luftschutzraum hinausgehen: Gasschutztüren, Überdruckventile und Stahlfensterläden sind erhalten geblieben. In den Räumen befanden sich zudem Dekontaminationsduschen, getrennte Warte- und Liegebereiche und Behandlungszimmer. Da das befürchtete Szenario eines Gaskriegs ausblieb, wurden die Räume wahrscheinlich neben der medizinischen Versorgung auch als Luftschutzbunker genutzt.
In enger Zusammenarbeit mit der Schulleitung, der Stadt Krefeld – vertreten durch die Fachabteilung Denkmalschutz und das Zentrale Gebäudemanagement – sowie dem LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland wurde die Entdeckung offiziell gemeldet und wissenschaftlich dokumentiert. Mehrfach begingen Experten der Denkmalpflege die Anlage, um eine umfassende Untersuchung durchzuführen. Die Ergebnisse dieser Forschungen werden mit Spannung erwartet. Ein bedeutender Schritt wurde jedoch bereits unternommen: Ein Großteil der Anlage soll nun unter Schutz gestellt werden. Dadurch bleiben originale Wandbeschriftungen, eine Sitzbank, Luftschutztüren und weitere Relikte aus der Kriegszeit erhalten. Für die Zukunft sind weitere Forschungen und eine pädagogische Nutzung der Räume geplant.
Besonders spannend wurde es dann im vergangenen Sommer. Nun sollte dem zugemauerten Bunker seine Geheimnisse entlockt werden. Die Männer des Vereins Luftschutzanlagen Rhein Kreis Neuss öffneten zusammen mit dem Zentralen Gebäudemanagement den Eingang: Zum Vorschein kam ein kleiner, aber hochwertig gebauter Komplex aus drei Räumen und mehreren Notausgängen, in dem auch Spuren einer Stromversorgung sichtbar waren. Der kleine Bunker hätte zwar einen direkten Bomben-Treffer wohl nicht ausgehalten, konnte aber vor Splittern, Trümmern und Druckwellen der Bombardierungen schützen. Für wen diese Anlage im ehemaligen Garten des Schulleiters gebaut wurde, ist unklar: Quellen sprechen von einer Kommandozentrale des Bürgermeisters, aufgrund der Größe scheint dies aber unwahrscheinlich zu sein.
Für die Erforschung der tatsächlichen Nutzung der Luftschutzanlagen und des Bunkers sind die Schüler:innen auf Ihre Mithilfe angewiesen: Waren Sie selbst Zeitzeuge? Oder kennen Sie Berichte von Zeitzeugen, die sich während des Krieges in der Schule aufgehalten haben? Die AG ist auch an allen historischen Fotos der Schule interessiert.
Das große Interesse der Schüler an der historischen Forschung zeigt, wie wichtig die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist und dass historische Spuren oft noch im direkten Umfeld zu finden sind – und wie wertvoll es ist, sie zu bewahren. Gerade in der heutigen Zeit, in der Kriege immer präsenter in unserem Alltag werden, vermitteln diese Anlagen die Folgen von Krieg und Gewalt auf bedrückend erfahrbare Art und Weise.
Fachschaft Geschichte
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