Fast auf den Tag genau vor 16 Jahren, nämlich am 8.12. 1995, startete das MOLTKE-FORUM mit einem Vortrag von Herrn Prof. Bassam Tibi über die Gefahren des Islamismus.

Am 17. November nun hielt der auch international renommierte Philosoph Hermann Lübbe den 65. Gast-Vortrag, der den Titel trug: "Gleichheit und Freiheit. Wieso die sogenannte Massengesellschaft Individualisierungsprozesse begünstigt." Ohne jedweden Medienhype, ja sogar ohne die Unterstützung des Redner-Pults hielt der betagte Philosoph eine knapp einstündige frei vorgetragene Vorlesung, in der er versuchte, den dem Untertitel inhärenten Widerspruch aufzulösen. Spätestens nach der Französischen Revolution hätten sich die Gesellschaften des Abendlandes durch Suspendierung ständischer Vorrechte ihre Freiheit erkämpft. Im Zuge dieser Mündigkeitsbestrebungen sei dann auch die Frage nach der Gleichheit der/des Menschen aufgetaucht. Die Vermittlung dieser beiden Ziele aber habe sich als äußerst schwierig erwiesen und gleiche noch heute der „Quadratur des Zirkels“. Zwar gebe es für viele Menschen in der durch die Freiheitsbestrebungen erwirkten Massengesellschaft ungleich bessere Voraussetzungen, ein gleiches Leben zu führen, es sei aber unbestreitbar, dass sich die berühmte Zwiebel des gesellschaftlichen Aufbaus nach oben hin nicht auflöse, sondern im Gegenteil zwar stark verjüngend, aber in ungeahnte Höhen treibe. Das liege nun einmal an den durch noch so viel Freiheit nicht leugbaren individuellen Voraussetzungen, die bei noch so ausgedehnter Förderung breiterer Schichten eben doch nicht alle zur gleichen Leistungsbefähigung kommen lasse. Lübbe verwies auf die Bereiche der Musik, des Theaters oder etwa der Malerei, bei denen niemand auf die Idee komme, aus allen Menschen – rein theoretisch – einen Picasso werden zu lassen. Im Sport, so Lübbe, bezweifle niemand die unterschiedlichen Fertigkeiten zwischen z.B. Fußballern, die auch durch noch so intensives Training nicht angeglichen werden könnten. Zudem würden diese ungleichen Befähigungen auch noch nolens volens überproportional alimentiert.

Lübbe, zweifelsohne ein Professor alter Schule, begeisterte zuvorderst durch seine Aura und die Verve, mit der er seine provokanten Thesen vortrug und die zu einer lebhaften Diskussion beitrugen. Die 100 Zuhörer dankten es ihm mit mehr als lebhaftem Beifall.

Wolfgang van Randenborgh