Wer denkt, im Niederländisch Unterricht würde sich alles immer um die Niederlande drehen, der hat weit gefehlt. Auch unser Nachbar Belgien und seine Hauptstadt Brüssel stehen im Focus. Die Erarbeitung der Chancen und Konflikte aus der sprachlichen Zweiteilung Belgiens in einen wallonischen (französischen) und einen flämischen (niederländischen) Teil gehört zu den Vorgaben des Zentralabiturs im Fach Niederländisch.

Zu Beginn der Belgien-Sequenz in den Kursen der Q2 wurde schnell deutlich, dass Belgien für die Schülerinnen und Schüler eine große Unbekannte ist. Außer der geographischen Lage und der dortigen Monarchie verbanden die Schülerinnen und Schüler bestenfalls Schokolade, dicke Pommes und seltsame Biersorten mit dem Land.

Vom Sprachenstreit und der Sprachgrenze zwischen Flandern und Wallonien, vom mehrsprachigem Brüssel, von der kleinen deutschsprachigen Enklave oder den großen sozialen Gegensätzen zwischen altindustriellen Gebieten und aufstrebenden New Economy Clustern hatte noch keiner etwas gehört.

Viele Fragen wurden aufgeworfen:

Welche offiziellen Sprachen gibt es in Belgien? Warum gibt es Streit darüber, wo welche Sprache gesprochen wird? Wie ist die Situation in Brüssel? Wie kann die „Hauptstadt“ der europäischen Integration zugleich ein Brennpunkt separatistischer Bestrebungen sein?

Vor dem Hintergrund des komplexen politischen Systems in Belgien und der massiven politischen Differenzen, bei denen die Zugehörigkeit zu einer Sprachgruppe viel wichtiger ist, als die zu einer politischen Richtung stand immer wieder eine Sorge im Zentrum der Überlegungen: Bricht Belgien auseinander?

Zur Analyse im Unterricht wurde zunächst der historische Kontext erarbeitet, ohne den die vertrackte Situation Belgiens nicht zu verstehen ist. Es wurden muttersprachliche Texte belgischer Autoren gelesen, die einen ersten Einblick in die „belgische Seele“ boten. Ein Radiointerview mit dem Belgier Bert Deconinck war eine doppelte Verständnisübung und zeigte auf, dass auch vor Gewalt nicht zurückgeschreckt wurde, um den eigenen Sprachraum, sei es auf flämischem oder wallonischem Gebiet, zu verteidigen.

Zum Thema Sprachenstreit wurden dann Plakate angefertigt, um die Inhalte darzustellen und gezielt zu komprimieren. Diese Plakate wurden im Französischfachraum, in dem auch wir Unterricht haben, aufgehängt, um in einen Kurs übergreifenden Gedankenaustausch zu gelangen. Schließlich ist Belgien inhaltlich unser größter gemeinsamer Nenner.

Susanne Zühlke