Chrismie Fehrmann - Westdeutsche Zeitung - 08.03.1999

Feierstunde im Moltke-Gymnasium für Prof. Hentrich: Vor 75 Jahren legte er dort die Abiturprüfung ab. Danach erwarb er sich als Architekt weltweit Verdienste.

Früher hat er mit Vorliebe stundenlang in der Schulbibliothek gesessen und gelesen. Seit einiger Zeit ist er selber dort mit einem Werk vertreten. Am Samstag signierte Professor Helmut Hentrich sein Buch "Bauzeit“, Untertitel: ,,Aufzeichnungen aus dem Leben eines Architekten“ bei einer kleinen Feierstunde im Moltke-Gymnasium. Es war ein denkwürdiger Tag. Denn genau am 6. März vor 75 Jahren baute der berühmte Sohn der Schule und der Stadt am Moltke sein Abitur.

Die alte Penne kommt auch in der ,,Bauzeit“ nicht zu kurz. Als humorvoller und informativ erzählender Zeitzeuge berichtet der heute 93jährige Autor ,aus der Schulzeit, von der er nichts vergessen hat.Man bedenke: Als Hentrich 1924 das ,,Zeugnis der Reife“ erwarb, wurde Hitler zu fünf Jahren Festungshaft wegen des Putsches am 9. November 1923 verurteilt, nach dem Ersten Weltkrieg finden erstmalig wieder die Bayreuther Festspiele statt und in Berlin wird die erste deutsche Funkausstellung eröffnet. Hentrich kennt noch das Thema seiner AbiDeutscharbeit: ,,Werde ein Charakter“. „Ich glaube, die war befriedigend.“ Recht hat er. Als Überraschung wurde sie ihm am Samstag zum erstenmal vorgelegt.Hentrich ist sich sicher, daß die Kameradschaft früher besser war. ,,Wir hatten in der Oberstufe noch feste Klassen.“ Schon der vierzehnjährige Helmut - er erblickte an der Rheinstraße das Licht der Welt - hatte seine Liebe zur Architektur entdeckt, obwohl Vater Hubert lieber einen Juristen in ihm gesehen hätte. Er ging zum Studium nach Berlin.Gewonnene Architektur-Wettbewerbe, Hochschul- und der Schinkel-Preis erlaubten es ihm, sich selbstständig zu machen. Doch zuerst trat er eine anderthalbjährige Weltreise an. ,,In New York habe ich 1931 die Ausschachtungsarbeiten für das Empire State Building gesehen.“ Später hat er selbst in Manhattan Hand angelegt und die Decke der International Musik Hall geschaffen. Neben vielen Projekten in aller Welt hat er bei der Umgestaltung der Düsseldorfer Tonhalle mitgewirkt, das Thyssen-Hochhaus dort gebaut, die Sparkasse auf dem Krefelder Ostwall sowie das Oetker-Haus an der Kaiserstraße. Auch heute geht Hentrich noch täglich in sein Düsseldorfer Büro. Ganz sicher trägt er nun oft die Moltke-Schulkrawatte, die er seit Samstag hat, denn er weiß: ,,Die Schule hat mir viel gegeben.“