1998 war für unsere Schule ein Jahr, in dem das ,,Leben mit Erinnerungen“ auf vielfältigeWeise seinen Ausdruck fand. Da standen zunächst die beiden Veranstaltungen vom Januar im Mittelpunkt, bei denen am 26.1. Michel Friedman, Mitglied des Zentralrates der Juden in Deutschland, einen bemerkenswerten Vortrag im Rahmen des Moltkeforums in unserer Aula hielt und am 27.1. unsere Schule für die Stadt Krefeld zum ersten Mal eine Gedenkstunde ausrichtete anläßlich des vom Bundespräsidenten Roman Herzog initiierten Gedenktages zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus. Diese Gedenkstunde bewegte besonders durch die Ernsthaftigkeit, mit der Schülerinnen und Schüler diesen Tag vorbereiteten und gestalteten. Als bleibendes Mahnmal konnten wir am Ende der Veranstaltung eine neue Gedenktafel mit den Namen der vierzehn uns bekannten ermordeten jüdischen Schüler enthüllen. Sie ist für uns und die noch lebenden Angehörigen dieser Opfer ein notwendiges und zukunftsweisendes Erinnerungszeichen, das unsere Schule inzwischen auch überregional bekannt gemacht hat.

Begleitet wurden diese Aktivitäten durch eine Ausstellung im Foyer unserer Schule mit dem Titel ,,Leben mit Erinnerungen - zum Gedenken“, die von mehreren Kollegen und Schülergruppen konzipiert und gestaltet worden war. Hier konnten unsere Schüler in Ruhe allein oder gemeinsam sich in die diesbezügliche Geschichte der Schule und Stadt vertiefen und an exemplarischen Dokumenten wesentliche Erfahrungen von damals nachvollziehen.

Um die Ergebnisse festzuhalten und einer weiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde im Mai 1998 eine Broschüre veröffentlicht, die mit der Dokumentation der Gedenkfeier, der Ausstellung (in Auszügen) und dem in der Moltke-Chromk 1998 (s. Seiten 19-27) schon veröffentlichten Briefwechsel-Projekt unserer Schüler zur Gedächtnissicherung auch ein wichtiges Stück Krefelder Geschichte zum Inhalt hat. Diese Broschüre sollte jeder lesen, der zu unserer Schule oder Stadt eine Beziehung hat! Da auch der Verein der Freunde und Förderer dankenswerterweise die Finanzierung mitgetragen hat, stehen für dessen Mitglieder noch Exemplare zur Verfügung. Bitte melden Sie sich im Sekretariat, wenn wir

Ihnen ein Exemplar zukommen lassen sollen!

Durch unsere Arbeit haben wir wieder Vertrauen geschaffen bei unseren ehemaligen verfolgten Schülern bzw. deren Nachkommen. So durften wir in der Schule Ernst Loewy aus Frankfurt willkommen heißen, Sid Brook (ehemals Siegfried Baruch, der inzwischen leider verstorben ist) aus Großbritannien, Werner Heymann aus Chile und Ursula Isfan aus USA, die Enkeltochter von Gottfried Gompertz. Sid Brook und Werner Heymann, auch Ilse Wolfson aus USA, die früher auf der Friedrich-Ebert-Straße gegenüber unserer Schule gewohnt hat, fanden die Zeit, mit unseren Schülern zu sprechen. Solche Begegnungen sind deshalb so wichtig und werden immer gerne angenommen, weil sie authentisch sind und

Gelegenheit bieten, mit den ehemals Verfolgten zu sprechen statt über sie. Was im Unterricht u. U. nur ,,zur Kenntnis“ genommen wird, erhält hier plötzlich einen buchstäblich lebendigen und nahegehenden Bezug.

Am 9. November 1998, dem 60. Jahrestag der Reichspogromnacht von 1938, veranstaltete schließlich die Stadt Krefeld eine Gedenkstunde in der Aula unserer Schule mit Michael Wolffson, Historiker und Professor an der Bundeswehrhochschule in München. Wer dabei sein konnte - von unseren Schülern waren die Geschichtskurse der Stufe 13 und die zehnten Klassen eingeladen, für die anderen ging der normale Unterricht weiter -, erhielt wichtige Anregungen, die nicht unumstritten waren und später im Unterricht diskutiert wurden. Diese Veranstaltung zeigte, daß unser Gymnasium am Moltkeplatz inzwischen auch zu einem "offiziellen" Ort geworden ist, in dem das "Leben mit Erinnerungen" auf eine angemessene und würdige Art praktiziert werden kann.

Januar 1999, Renate Stark

 

Inschrift der Gedenktafel

Wir haben es von Werner Heymann gehört:
Unter den Nationalsozialisten wurden Menschen zu Nummern,
auch unsere ehemaligen jüdischen Schüler.

Wir wollen ihre Namen und damit ihre Menschenwürde bewahren
und darin erinnern, daß auch sie zur Gemeinschaft unserer Schule gehören.

So lautet jetzt der vollständige Text unseres Gedenkens:

Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken .....

Todesfuge, Paul Celan

 

Zum Gedenken an die Schüler unserer Schule,
die in der Zeit des Nationalsozialismus
aus rassischen, religiösen, politischen Gründen verfolgt wurden

In Konzentrationslagern und Ghettos
oder im Zusammenhang mit der Deprtation sind umgekommen :

Henry Bach * Hans Daniel * Erich Davids * Max Davids * Gottfried Gompertz * Max Gompertz * Josef Heymann * Eugen Hirtz * Felix Kaufmann * Heinz Schriesheimer * Kurt Seligmann * Josef Servos * Friedrich Wihl * Helmut Zanders