Krefeld. Passen das von der Kreativität und der genialen Inspiration seiner Spitzenakteure lebende Fußballspiel und nüchtern wissenschaftlich ermittelte Analysenzahlen zusammen? "Ja", sagt Professor Daniel Memmert. Der 47 Jahre alte Sportwissenschaftler hielt beim jüngsten Moltkeforum vor rund 200 Fußballbegeisterten einen kurzweiligen Vortrag. Kernthese des Leiters des Instituts für Kognitions- und Sportspielforschung an der Deutschen Sporthochschule in Köln: Der Profifußball ist dabei, sich zu verwissenschaftlichen.
Seit einigen Jahren werden in der Bundesliga während der Partien die Positionsdaten der einzelnen Profis erfasst. Diese Daten ergeben eine Punktwolke, aus der die Wissenschaftler ablesen können: Wo hat der Spieler gestanden, wohin ist er gelaufen? Was hat er mit dem Ball gemacht, wie hat er auf den Gegenspieler reagiert? Die Aufgabe des Wissenschaftlers ist, aus diesem Datenwust Muster herauszulesen, um zu erkennen: Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass sich aus einem taktischen Spielzug eine Torchance ergibt? Dies alles ist auch eine Aufgabe der Spielanalytiker, von denen jeder europäische Spitzenklub mindestens zehn sein Eigen nennt und die dem Trainerteam zuarbeiten.
Wer den auf diesem Gebiet führenden Wissenschaftler Memmert reden hört, erkennt in ihm gleichermaßen den spielverliebten Ballsportler wie den stringent analysierenden Wissenschaftler. Häufig gebraucht er das Wort Spieleffektivität. "Wir messen die pro Pass überspielten Gegenspieler, aber auch die Kilometer, die die Spieler beider Gegner gelaufen sind, und es gewinnt nicht unbedingt das Team, das die größere Anzahl an Kilometern vorweisen kann", sagt er. Dann fallen Begriffe wie Key Performance Indicator, zu Deutsch: Leistungskennzahlen. Womit sich die Frage anschließt, was man als erfolgreichen Fußball ansieht - wissenschaftlich betrachtet: Was genau ist das Ziel?
In der Diskussion ergab sich ein Beispiel auf die Frage, ob Jupp Heynckes ein guter oder schlechter Trainer für die Bayern ist. Eine Frage, die sich von allein beantwortet, wenn Heynckes erneut wie 2013 drei Titel oder eben keinen holt. "Aber was ist, wenn er nur einen oder zwei holt, und muss die Champions League dabeisein", fragt Memmert und fordert wie bei jeder wissenschaftlichen Analyse vorab ein präzises Anforderungsprofil ein. Für alle Straßenfußballer - und unter den Zuhörern waren davon etliche - aber hatte er zum Schluss noch ein Bonmot auf Lager: "Trotz allem, Daten schießen keine Tore."