Die Schüler der Klasse 7a des Gymnasiums am Moltkeplatz sitzen da und hören regelrecht andächtig zu. Doch nicht Klassenlehrerin Snjezana Duvnjak spricht zu ihnen. Auch sie ist heute weitgehend Zuhörerin. Es spricht die Anwältin Gesa Strückmann. Die Expertin für Medienrecht aus Rostock hält ein sogenanntes Webinar über ihr Fachbebiet. Das bedeutet: Über eine Videokonferenz hält sie einen interaktiven Vortrag an mehrere Schulen in ganz Deutschland. Und das zeitgleich. Prinzipiell könnte jeder Schüler, jede Schulklasse eine Frage stellen. Das jedoch geschieht nur selten. Die Erklärungen der Juristin sind treffend und erschöpfend.
„Einen konkreten Anlass an unserer Schule gibt es nicht. Aber wir haben in der Jahrgangsstufe sechs das Thema Mobbing, auch Cybermobbing, auf dem Lehrplan. Als ich dann Frau Stückmann auf einem Schulleiterseminar kennenlernte, haben wir die Zusammenarbeit vereinbart“, sagt Schulleiter Udo Rademacher.
Die Juristin präsentiert die Gefahren unsachgemäßer Verwendung sozialer Medien und digitaler Kommunikation sehr anschaulich an Beispielen. Stets veranschaulicht sie die komplexen Sachverhalte anhand von Fällen aus ihrer eigenen beruflichen Praxis oder aus Gerichtsurteilen. Einige Beispiele:
Umgang mit Fotos: Strückmann betont, dass die Verwendung von Fotos stets der Zustimmung der abgebildeten Personen bedürfe und sonst Geld- oder Freiheitsstrafen drohten.
Nacktfotos Problematisch werde es, wenn Minderjährige im Spiel seien. „Ich hatte zum Beispiel den Fall eines 16-Jährigen, dessen 13 Jahre alte Freundin ihm Nacktfotos geschickt hat. Er leitete sie dann an einen Freund weiter. Das sind gleich zwei Straftaten. Der Besitz der Bilder ist strafbar, denn bei unter 14-Jährigen ist das Kinderpornografie. Sie noch zu verbreiten, ist eine zweite Straftat, die sogar zu Haftstrafen führen kann“, warnt sie.
Lehrerbilder in Fotomontagen Problematisch seien auch Bilder, die nicht öffentlich, aber in Whatsapp-Gruppen geteilt würden. So in einem Fall, in dem ein Lehrer in einer ehrverletzenden Fotomontage gezeigt wurde. „Sein Kopf wurde auf einen nackten Frauenkörper montiert. Darunter wurde er als schwul bezeichnet. Eine Schülerin aus der Gruppe zeigte ihm das Bild, und das hatte für die Erstellerin juristische Konsequenzen“, erzählt Stückmann. In solchen Fällen dürfe die Polizei übrigens Handys konfiszieren. Als Beweismittel müssten diese auch nicht zurückgegeben werden.
Der „Gaskammer-Fall“: Doch nicht nur Bilder seien kritisch. „Es gab zum Beispiel einen Fall, in dem ein Mann in einem sozialen Netzwerk gegen Flüchtlinge hetzte und forderte, ‚die Gaskammern wieder zu öffnen’. Er wurde wegen Volksverhetzung zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Ein anderer hatte einen ähnlichen Beitrag mit einem Like versehen. „Auch er wurde verurteilt“, fügt sie hinzu.
Handy-Einstellungen – Automatisches Herunterladen: Auch gibt sie Tipps zum Ändern der Handyeinstellungen, was das automatische Herunterladen von Bildern und Videos in Whatsapp angeht. „Bei Kinderpornografie ist der Besitz strafbar und kann lebenslange Folgen haben. Beispielsweise, weil man bestimmte Berufe nicht mehr ergreifen darf“, warnt sie. Darum sei ein Überblick darüber, was man auf dem Telefon habe, wichtig. Im Zweifel gelte es, fragliches Material zu löschen oder sofort die Polizei zu benachrichtigen.
Profilbilder: Auch wenn jemand bei Facebook oder Instagram Profilbilder ins Netz stellt, darf man diese nicht einfach weiterverbreiten.
Heimlich aufgenommene Nacktfotos: Wenn man jemanden ohne dessen Zustimmung nackt fotografiert, etwa auf der Schultoilette, ist das auf jeden Fall eine Straftat. Grundsätzlich empfahl die Expertin, keine Nacktbilder von sich mit der Webcam (eine Kamera, die Videobilder zu einem Gesprächspartner „streamt“, also live übers Internet übermittelt, etwa beim Skypen) zu machen; man wisse nie genau, wer am anderen Ende sitze.
Gewaltdarstellungen: Verboten ist es, ungefragt Gewaltvideos oder pornografisches Material bei Facebook oder in Whatsapp-Gruppen hochzuladen und zu verteilen, auch dann, wenn die Personen, die darauf zu sehen sind, nicht zu der Gruppe gehören und dort gänzlich unbekannt sind.
Die Schüler sind beeindruckt von den Darbietungen der Juristin. „Es war ein guter Überblick, was alles passieren kann und wie schnell sich Dinge verbreiten. Es war wirklich interessant“, sagt die 13 Jahre alte Ella Wilke. Ähnlich sieht es sein Klassenkamerad Rafael Bergé. „Es ist schon gut zu wissen, was passiert und was man machen soll. Ich fand es gut“, sagt der Zwölfjährige. Der ebenso alte Theo Hackel ist vor allem schockiert „wie schnell man Probleme bekommen kann, auch wenn man eigentlich nichts macht, nur weil man den Kopf nicht einschaltet.“ „Ich wusste gar nicht, wie schnell Dinge auch strafbar sind“, sagt er. Klassenkameradin Mia Pothmann stimmt ihm zu.
Und sogar Lehrerin Duvnjak lernte einiges dazu. „Es gab vieles, was die Kinder nicht gewusst haben. Einiges war aber auch mir nicht bekannt. Ich denke, es war eine sehr gute Sache“, sagt die Pädagogin. Die Veranstaltung soll zukünftig zur festen Einrichtung an allen siebten Klassen des Moltke-Gymnasiums werden und hoffentlich nicht nur Mobbing unter den Schülern reduzieren, sondern auch dafür sorgen, dass die Kinder weniger in rechtliche Fallen tappen.
Denn, wie Stückmann am Ende ihres Vortrags betont: „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.“